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Dahn im Juni 2000


Im „Dulag“ PS Nord soll es Fälle von Kannibalismus gegeben haben –
Das Durchgangslager PS-Nord und der „Russenfriedhof“



Auf der Biebermühle/Pirmasens-Nord gab es drei Lager: vom Arbeitsamt Pirmasens, von der Bahn und von den Rheinischen Lederwerken.

Das Arbeitsamt Pirmasens betrieb im Auftrag der Deutschen Arbeitsfront (DAF) das große Durchgangslager (Dulag) Pirmasens-Nord.
Neben dem Dulag, in Richtung Biebermühle, befand sich das Arbeitslager der Bahnmeisterei Pirmasens-Nord, das der Deutschen Reichsbahn unterstand. In diesem Lager waren der Reihenfolge nach französische Kriegsgefangene, polnische Zivilarbeiter/Ostarbeiter, italienische Militärinternierte (IMI’s) und ab 1943 etwa 250 russische/ukrainische Zivilarbeiter/Ostarbeiter beschäftigt. Beide Lager waren rechts der B 270 in Richtung Waldfischbach, wo heute das Umspannwerk der Pfalzwerke steht.
Das dritte Lager unterhielten die Rheinischen Lederwerke AG auf der Biebermühle hinter der heutigen Gaststätte Historische Biebermühle in Richtung Rodalben. Hier arbeiteten französische, russische und jugoslawische Kriegsgefangene. Da die drei Lager auf der Gemarkung der Gemeinde Donsieders errichtet waren, musste diese die Geburts- und Sterbeurkunden für die Lager ausstellen.Im Volksmund hießen die Lager Ukrainerlager, weil die meisten Insassen aus der Ukraine kamen.
Das Dulag ist 1942 vom Arbeitsamt Pirmasens angelegt worden. Es war kein Arbeitslager, sondern eine Verteilerstelle. Von hier aus wurde die gesamte Region mit Arbeitskräften aus dem Osten versorgt. Anfangs standen nur einige Baracken auf dem Gelände. Mit Fortdauer des Krieges wurden immer mehr Baracken errichtet. Gegen Kriegsende sollen sich in den Lagern auf der Biebermühle/Pirmasens-Nord über 1000 Menschen befunden haben.
Die Zivilarbeiter/Ostarbeiter - meist Zwangsarbeiter - wurden in Viehwaggons nach PS-Nord transportiert, hier ausgeladen und in das Dulag gebracht. Von hier aus wurden sie auf den Gau Westmark verteilt. Bauern und Gewerbetreibende konnten sich im Dulag persönlich ihre Arbeitskräfte aussuchen. Eine Zeitzeugin aus Gersbach schickten örtliche NS-Größen mit dem Fahrrad zur Biebermühle, um von einem neu eingetroffenen Transport brauchbare Arbeiterinnen auszusuchen. Nach dem Bericht von Anatoli Ivanov aus Perm/Rußland, der sich mit seiner Familie 1944 im Dulag Pirmasens-Nord befand, kamen oft Wirte und Bauern ins Lager, um die stärksten Gefangenen zur Arbeit mitzunehmen. Alle wollten aus dem Lager raus.

Der Bahnmeister vom Eisenbahnlager nebenan schreibt in seinen Tagebuchnotizen aus den Jahren 1944/45: Öfter als mir lieb war, hatte ich in dem neben uns gelegenen großen Auffang- und Durchgangslager der DAF und des Landesarbeitsamtes in „Russensachen“ zu tun. Mit dem dort tätigen Personal - vom Lagerchef bis zum letzten Wachmann, ausgesuchte, linientreue NS-Leute - bemühte ich mich auf gutem Fuß zu stehen.
Zumindest ab 1944 kann man das Dulag PS-Nord/Biebermühle als Hungerlager bezeichnen. Die Lebensmittelversorgung war miserabel. Die Menschen im Dulag bekamen als Tagesration 200 Gramm Brot und eine sehr wässrige Suppe. Täglich starben Menschen an Hunger und seinen Folgen. In Anbetracht dieser schrecklichen Verhältnisse könnte man geneigt sein, der ungeheuerlichen Behauptung eines Zeitzeugen Glauben zu schenken, dass es unter den Menschen im Dulag Fälle von Kannibalismus gegeben haben soll. Ausgemergelte und verhungerte Elendsgestalten im Dulag werden von verschiedenen Zeitzeugen bestätigt. Über 500 Tote, die auf dem eigens oberhalb des Dulag angelegten Ostarbeiterfriedhof beerdigt wurden, bezeugen die katastrophalen und unmenschlichen Lebensverhältnisse im Dulag PS-Nord/Biebermühle.
Anfangs wurden die Toten aus dem Dulag auf dem Ortsfriedhof in Donsieders beigesetzt, was wegen Platzmangels nur begrenzt möglich war. Die Toten aus dem Krankenhaus für Ostarbeiter in Waldfischbach sollten auf dem dortigen Ortsfriedhof bestattet werden. Die Gemeinde Waldfischbach lehnte dies in einem Schreiben an den Landrat in Pirmasens mit der Begründung ab, dass ähnliche Verhältnisse wie bei der Gemeinde Donsieders vorlägen.

Im Oktober 1942 erwarb die Gemeinde Donsieders von dem Bauer B. H. das oberhalb des Durchgangslagers gelegene Grundstück Plan-Nr. 2381 ½, Acker rechts des langen Birkenwegs, 5. Gewanne, 0,157 ha, zum Preis von 400,-- RM. Auf diesem Grundstück in der Gewanne Hasenborn, oberhalb des heutigen Umspannwerkes der Pfalzwerke am Hang, hat die Gemeinde Donsieders den Friedhof für Ostarbeiter - im Volksmund auch Russenfriedhof genannt - angelegt. Bis Kriegsende wurden hier über 500 Tote begraben. Nach langem Hin und Her erhielt die Gemeinde Donsieders vom Landesarbeitsamt Westmark Saarbrücken über das Arbeitsamt Pirmasens im April 1943 einen Betrag von 300,-- RM als Zuschuss für den Erwerb des Geländes für den Ostarbeiterfriedhof. Der Leiter des Arbeitsamtes Pirmasens war der Überzeugung, dass dieses Gelände groß genug sei, die Toten aus dem Dulag und die in Waldfischbach vorkommenden Todesfälle aufzunehmen.
Doch nach knapp zwei Jahren war der im November 1942 angelegte Ostarbeiterfriedhof total belegt. Zur Erweiterung des Friedhofs kaufte die Gemeinde Donsieders von dem Privatmann H. L das Grundstück Plan-Nr. 2381, einen Acker rechts des langen Birkenwegs, 0,276 ha, zum Preis von 1000,-- RM. Das Arbeitsamt Pirmasens ließ das Friedhofsgelände mit einer lebenden Hecke und einem Stacheldrahtzaun von 40 cm Höhe einzäunen.
Ein Zeitzeuge aus Donsieders erinnert sich - es könnte 1944/45 nach einem Jabo-Angriff auf den Bahnhof Pirmasens-Nord gewesen sein - , dass Leichen auf einem LKW zum Russenfriedhof gebracht und dort in ein Massengrab gekippt wurden. Nach dem Bericht eines Zeitzeugen aus Gersbach wurden die Toten aus dem Dulag auf einem Panjewagen mit Fallklappe zu den Massengräbern gebracht.
Mit Schreiben vom 6. Mai 1946 teilte das Bürgermeisteramt Donsieders dem Landratsamt Pirmasens mit: Der Ausländerfriedhof des Durchgangslagers Pirmasens-Nord umfaßt ca. 350 Einzelgräber und 2 Massengräber (78 qm). Auf dem Ortsfriedhof Donsieders sind ca. 50 Gräber von Ausländern. Die Gräber befinden sich in einem verwahrlosten Zustand.

In der Zeit vom 24. Juli bis 28. Juli 1950 wurden die auf dem Ostarbeiterfriedhof bestatteten polnischen und russischen Staatsangehörigen exhumiert. Der russischen Kommission, welche über die Ausführung der Arbeiten unterrichtet war, musste jederzeit Zutritt gewährt werden.
36 Polen, namentlich bekannt, bekamen ihre letzte Ruhestätte in drei Grabreihen auf dem Gemeindefriedhof Donsieders. Die Russen/Ukrainer, 504 Leichen, wurden auf den Friedhof MZ-Mombach umgebettet. Hier ist auf den Grabsteinen die Inschrift zu lesen: Gestorben in Donsieders.
Dem Landratsamt Pirmasens wird mit Schreiben vom 3. Januar 1951 mitgeteilt, dass es auf dem Ostarbeiterfriedhof Donsieders 332 Einzelgräber und 2 Massengräber (78 qm) von verschleppten Personen gab.
In der Endabrechnung vom 24. August 1950 werden für Ausgrabung und Überführung von insgesamt 504 Leichen 8871,80 DM zuzüglich 5 % Verwaltungskost in Rechnung gestellt.

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