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Dahn im Januar 2007


27. Januar – Gedenktag für alle Opfer des NS
„Daß Auschwitz nicht noch einmal sei ...“

Von Otmar Weber



Erinnerung an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz – Zum Gedenken an die jüdischen Opfer aus dem Wasgau

An diesem Tag vor fünfzig Jahren haben sowjetische Soldaten das NS-Vernichtungszentrum Auschwitz befreit. Für die deportierten Mitbürger aus dem Wasgau kamen die Befreier zu spät. Etwa 50 Juden aus Busenberg, Dahn und Erlenbach waren zu diesem Zeitpunkt von den Nationalsozialisten ermordet worden; die meisten von ihnen in den Vernichtungszentren des Ostens. Viele von ihnen in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau.
Über 6000 jüdische Bürger aller Altersstufen wurden am 22.10.1940 aus der Pfalz, Baden und dem Saargebiet in einer Nacht- und Ne­belaktion durch die Gauleiter Bürckel und Wagner in das KZ Gurs/Pyrenäen (Vichy-Frankreich) deportiert. Rund 2000 starben in den französischen Lagern. Für annähernd 4000 waren die Gaskammern von Auschwitz, Majdanek und Treblinka die Endstation. Nur wenige kehrten nach 1945 in die Pfalz, nach Baden oder ins Saargebiet zurück. Aus unserer Region hat keiner, der in Auschwitz war, überlebt.

Ab Mitte 1942 rollten die Transporte aus den südfranzösischen Lagern über Drancy/Paris nach Auschwitz. Die peinlich genau geführten Transportlisten gewähren uns Einblick in die grausige NS-Vernichtungsmaschinerie. Mindestens zehn Dahner sind in diesen Transportlisten zu finden. So wurde Helene Rosenstiel, geb. am 05.08.1889, Weißenburgerstraße 2, mit dem Transport Nr. 19 am 14.08.1942 von Drancy/Paris nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort vergast; der Transport bestand aus 991 Personen. Frau Marianne Katz, geb. am 26.05.1886, Marktstraße 16, wurde mit dem Transport Nr. 25 am 28.08.1942 von Drancy/Paris nach Auschwitz deportiert und dort vergast; der Transport bestand aus 1000 Personen. Frau Elsa Levy, geb. 12.12.1894, Weißenburgerstraße 2, wurde mit dem Transport Nr. 24 am 26.08.1942 von Drancy/Paris nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort vergast; der Transport bestand aus 1002 Personen. Ein furchtbares Schicksal hat Helmut Levy, den jüngsten Sohn von Elsa Levy, getroffen. Helmut Levy, geb. am 03.05.1925, Weißenburgerstraße 2, hat 1938 die Reichspogromnacht in Dahn erlitten, wurde am 01.09.39 nach Mannheim evakuiert und am 22.10.1940 nach Gurs/Pyrenäen deportiert. 1941 wurde Helmut Levy in das Camp Rivesaltes/Südfrankreich gebracht und von hier aus als Sechzehnjähriger zur Zwangsarbeit beim Straßenbau in Brest eingesetzt. Am 07.09.1942 wurde er mit dem Transport Nr. 29 von Drancy/Paris nach Auschwitz deportiert und dort zur Zwangsarbeit ausselktiert; der Transport bestand aus 1000 Personen.
Zum Transport Nr. 29 vom 07.09.1942 ist den Akten zu entnehmen, dass am 07.09.1942 der SS-Mann Ernst Heinrichsohn ein Fernschreiben verfasste, welches sein Vorgesetzter, Heinz Röthke, Chef der antijüdischen Gestapo in Frankreich, unterzeichnete. Er teilt Eichmann, der KZ-Verwaltung (in Oranienburg) und Auschwitz mit, dass der Transport D 901/24 mit 1000 Juden den Bahnhof von Bourget/Drancy unter der Führung des SS-Mannes Krüger verlassen hat. Das Fernschreiben trägt die Nr. (CDJC) XXVb-155.
Dieser Transport umfasste 435 Frauen und 565 Männer. Unter den Deportierten befanden sich mindestens 123 Kinder unter 17 Jahren: 71 Mädchen und 51 Jungen. Einer dieser Jungen war Helmut Levy aus Dahn; er war damals siebzehn Jahre und vier Monate alt.

Vor der Ankunft des Transportes in Auschwitz; am 09.09.1942; wurde eine unbestimmte Anzahl von Männern in Kosel zur Zwangsarbeit ausselektiert. In Auschwitz selbst wurden 59 Männer mit den Nummern 63164 - 63222 zur Zwangsarbeit bestimmt und damit vorläufig am Leben gelassen. Dasselbe geschah mit 52 Frauen, die die Nummern 19242 - 19294 erhielten. Helmut Levy befand sich unter den zur Zwangsarbeit Selektierten. Der Rest des Transportes Nr. 29 wurde sofort ins Gas geschickt. Aus dem Transport Nr. 29 sind namentlich nur 34 Männer bekannt, die nach 1945 aus Auschwitz heimgekehrt sind. Helmut Levy aus Dahn, Weißenburgerstraße 2, war nicht unter ihnen. Bevor die sowjetischen Befreier eintrafen, hat die SS das Vernichtungslager Auschwitz geräumt und die restlichen Häftlinge im Januar/Februar 1945 in den berüchtigten "Todesmärschen" durch Eis und Schnee nach Westen in KZs auf Reichsgebiet getrieben. Auch diese unmenschlichen Strapazen hat Helmut Levy überstanden. Erst im KZ Buchenwald endete sein Martyrium. Das vermutete Todesdatum von Helmut Levy ist der 23. Februar 1945.
Auf dem im November 1994 geschändeten jüdischen Friedhof in Busenberg erinnert eine unauffällige Grabplatte an die NS-Opfer: Julius Levy (Vater), Elsa Levy (Mutter) und Helmut Levy (Sohn). Angesichts der Geschehnisse in unseren Tagen hat das Wort von Theodor Adorno - gesprochen vor über dreißig Jahren - an seiner Aktualität nichts verloren: „Dass Auschwitz nicht noch einmal sei...“


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