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Dahn im Mai 2011


Beerdigung von Frau Johanna Levy auf dem jüdischen Friedhof Busenberg

Von Otmar Weber



Am 12. Mai 2011 wurde auf dem jüdischen Friedhof Busenberg die Urne von Frau Hanna Levy, beigesetzt. Es war die erste Beerdingung auf diesem Friedhof nach 32 Jahren. Hanna Levy ist die Frau von Karl-Heinz Levy, der aus Dahn, Weißenburgerstraße 2, stammt. Nach der Vertreibung durch die Nationalsozialisten kamen beide über England in die USA, wo sie in New York ein neues zu Hause fanden.
Es ist der ausdrückliche Wunsch von Karl-Heinz Levy, dass sowohl er als auch seine Frau auf dem jüdischen Friedhof Busenberg bei seinen Vorfahren ihre letzte Ruhe finden. Diesem Wunsch hat die jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz mit Sitz in Neustadt/Weinstraße unter ihrem Geschäftsführer, Daniel Nemirovsky, entsprochen. Karl-Heinz Levy, der schon im Mai 2000 die Grabstelle, den Grabstein und dessen Beschriftung festgelegt hatte, konnte der Beerdigung seiner Frau nicht beiwohnen. Wenige Tage vor dem Abflug nach Deutschland musste der 90jährige Karl-Heinz Levy auf ärztlichen Rat hin absagen.
Sein Sohn Peter Levy brachte zusammen mit seiner Frau die Asche seiner Mutter aus New York nach Busenberg.

Die Beerdigung fand um 12.00 Uhr mittags statt. Kantor Shamir aus Heidelberg hat die Zeremonie würdig gestaltet. Eingangs sprach er auf Hebräisch das Gebet Zidduk Ha-Din, dass sich der Herr über Leben und Tod der Verstorbenen erbarmen möge. Dann betete er Psalm 91. Nach dem Gebet El Male Rachamin, in dem die Barmherzigkeit Gottes für die Verstorbene erfleht wird, wurde die Urne in die Erde gesenkt. Nach der Urneneinsenkung schilderte ein Freund der Verstorbenen in beeindruckender Weise die Schicksale der beiden Familien Cohen und Levy. Darauf betete der Kantor in hebräischer Sprache das bei einer Beerdingung obligatorische Kaddisch, eine Lobpreisung Gottes. Danach wurde die Urne von der Trauergemeinde mit Erde bedeckt. Zum Abschluss gab es für die zehn jüdischen Männer (Minjan) in einem nahe gelegenen Restaurant das Kiddusch, einen kleinen Imbiss. Beim Kiddusch wurden Wein, Wasser, Brot, Käse und hartgekochte Eier gereicht.

Der Grabstein hat die Inschrift: LEVY Karl-Heinz 1921 – … und Johanna geb. Cohen 1918 – 2011. Die Levitenkanne auf dem Stein ist das Symbol dafür, dass der hier Bestattete ein Abkömmling des Stammes Levi ist. Die Leviten haben den Priestern vor dem Segen die Hände gewaschen, daher ist ihr Symbol der Krug.
Hanna Levy, geb. Cohen, wurde am 24.10.1918 in Bielefeld geboren. Von Beruf war sie Schneiderin. Mit Unterstützung einer jüdischen Organisation konnte sie im August 1939 noch rechtzeitig nach England emigrieren, wohin zuvor schon ihre Schwester Anne ausgereist war. Beide lebten während des II. Weltkrieges in London und sind später in die USA ausgewandert.
In London hat Hanna Cohen ihren Mann, Karl-Heinz Levy aus Dahn, kennen gelernt. Auch er ist 1939 mit einem der letzten Kindertransporte nach England emigriert. Beide arbeiteten in einem Rüstungsbetrieb. Im März 1942 haben Hanna und Karlheinz geheiratet und im Februar 1943 wurde ihr Sohn Peter geboren. Am 10. Mai 1947 ist die Familie Levy nach USA ausgewandert.
Das durch den Holocaust verursachte Leid spiegelt sich in den schrecklichen Schicksalen der beiden Familien Cohen und Levy wieder: Hannas Eltern wurden in Auschwitz ermordet und ihr jüngerer Bruder Walter ist 1942 im KZ Mauthausen umgekommen. Die Familie von Karl-Heinz Levy hat sechs Holocaustopfer zu beklagen. Seine Eltern wurden in Auschwitz ermordet, sein jüngerer Bruder ist 1945 in Mauthausen umgekommen, sein Onkel Ludwig und seine Tanten Blüta und Helene wurden in Auschwitz ermordet.
Karl-Heinz wählte bewusst den jüdischen Friedhof Busenberg zu seiner letzten Ruhestätte, um bei seinen Vorfahren bestattet zu werden. Für die Organisation und Durchführung der Totenbestattung gab es in jeder größeren jüdischen Gemeinde eine „Heilige Bruderschaft“ die sogenannte „Chewra Kadischa“. Sie erledigt die Toteneinsargung, die Bestattung und pflegt den Friedhof. In den ersten Wochen nach dem Todesfall betreut sie auch die Hinterbliebenen. Nach Eintritt des Todes wird eine Totenkerze angezündet. Der Tote muss zunächst unberührt bleiben. Kurz vor der Beerdigung wird der Tote in weiße leinene Totengewänder gekleidet. Männer tragen einen weißen Tallit (Gebetsmantel) um das Haupt. Vor dem Begräbnis wird die Kriah, d.h. das Einreißen von Kleidern als Zeichen der Trauer vorgenommen. Der Riss soll an der Vorderseite des Gewandes in der Gegend des Halses vorgenommen werden und etwa 10 cm lang sein.
Am Grabe selbst gibt es keine Zeremonie. Die Angehörigen werfen einige Schaufeln Erde auf den Sarg. Danach ist es Pflicht der nächsten männlichen Angehörigen das Kaddisch zu sprechen, mit dem der Trauernde bekennt, dass er trotz seines großen Schmerzes Gott huldigt, ihn anerkennt und für das Kommen des Reiches Gottes bittet. Beim Verlassen des Grabes kondolieren die Begräbnisteilnehmer mit dem Trostspruch: „Gott tröste dich mit allen anderen Trauernden in Zion und Jerusalem“.
Nach der Rückkehr vom Begräbnis wird den Trauernden ein Glas Wein, der Becher des Trostes, und ein hart gekochtes Ei gereicht. Unmittelbar nach der Beerdigung beginnt die Trauerwoche mit den sieben Trauertagen, dem so genannten „Schiwa-Sitzen“ (Schiwa = sieben). Die Trauernden Angehörigen sitzen auf einem niederen Schemel und tragen keine Lederschuhe.
Am Jahrestag des Todes wird ein Licht, das Totenlicht, auch Jahreslicht genannt, für 24 Stunden angezündet. Zum ersten Jahrzeittag wird gewöhnlich auch der Grabstein gesetzt.


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