Arbeitskreis Judentum im Wasgau · 66994 Dahn otmar_weber@gmx.de

Dahn im Januar 2012


Pfarrer Jakob Schwalb – Ein frühes Opfer des Nationalsozialismus

Von Otmar Weber



Altbundespräsident Roman Herzog hat 1996 den 27. Januar, in Erinnerung an die Befreiung des Vernichtungszentrums Auschwitz durch die Rote Armee, zum offiziellen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus erklärt. Ein Gedenktag, der trotz großen Aufwandes durch Politik und Medien bis heute noch nicht in das Bewusstsein der Deutschen gedrungen ist. An diesem Tag soll aller Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft gedacht werden. Juden, Sinti und Roma, Euthanasierte, Sterilisierte, Kommunisten, Sozialisten, Christen, Zeugen Jehovas, Homosexuelle, Regimegegner, Zwangsarbeiter, Gefallene, Kriegsgefangene, Verschleppte, Flüchtlinge, Kriegsversehrte, Bombengeschädigte, Witwen, Waisen und viele andere sind Opfer des verbrecherischen und mörderischen NS-Systems geworden.
Zu den NS-Opfern im weiteren Sinne sind auch diejenigen zu rechnen, die aus der größten Katastrophe unseres Volkes nichts gelernt haben, sondern als Neonazis und ewig Unbelehrbare die menschenverachtenden und mörderischen Parolen ihrer Altvordern propagieren. Die Deutschlandweiten NSU-Morde und die penetranten NPD-Aktivitäten in unserer Region verlangen nicht nach verspäteten Kerzenlichtern, sondern nach rechtzeitigem Widerstand. An vielen Orten in Rheinland-Pfalz wird am 27. Januar der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. In diesem Jahr findet auch in Dahn eine Gedenkveranstaltung statt.

Ein frühes Opfer des NS-Terrors war der kath. Pfarrer Jakob Schwalb, der von 1933 bis 1934 Pfarrer in Dahn war. Pfarrer Jakob Schwalb ist am 4. August 1872 in Hettenleidelheim geboren und am 25. April 1934 in Mannheim gestorben.
Nach seiner Priesterweihe war er als Kaplan in Arzheim, in Bad Dürkheim, Lustadt-Oberlustadt, Bliesmengen-Bolchen, Weyher und Landstuhl tätig. Seine erste eigenständige Pfarrei erhielt Jakob Schwalb in Nünschweiler (Pirmasens), wo er von 1908 bis 1912 wirkte. Am 1. Februar 1912 wurde er Pfarrer im nordpfälzischen Göllheim, wo er sehr aktiv war. Pfarrer Schwalb war von großer Herzensgüte und wegen seiner Hilfsbereitschaft allgemein beliebt und geachtet. Als Pfarrer in Göllheim wurde er zum Dekan gewählt und bekam wegen seiner Verdienste den Ehrentitel „Geistlicher Rat“ verliehen.
Pfarrer Schwalb war, wie viele kath. Geistliche, schon vor 1933 nicht nur ein überzeugter Gegner der nationalsozialistischen Ideologie, sondern bekämpfte diese mutig. Als Pfarrer Schwalb zusammen mit dem Junglehrer Hans Planck aus Kaiserslautern in Göllheim eine Jungschar für Buben gründete, war für die Nazis das Maß voll. Sie sahen in der kath. Vereinsgründung eine Provokation und nahmen diese zum Anlass, gegen Pfarrer und Lehrer vorzugehen. Der Pfarrer wurde der „vaterlandsfeindlichen Gesinnung“ bezichtigt. Während der Fronleichnamsprozession 1933 inszenierten die Nazis wegen der mitgeführten kath. Vereinsfahnen einen derartigen Tumult, dass die Prozession abgebrochen werden musste. Die Agitation gegen Pfarrer Schwalb wurde schärfer und erreichte am Abend des 23. Juni 1933 ihren Höhepunkt.
Gegen 21.30 Uhr stürmten SA-Männer, NS-Schläger, vermummte Gestalten und eine aufgebrachte Meute das Pfarrhaus. Steine flogen, Fensterscheiben gingen zu Bruch, die Haustüre wurde aufgesprengt, es wurde scharf geschossen, mindestens 30 Einschüsse wurden gezählt. Die fanatisierte Menge verwüstete nicht nur das Pfarrhaus, sondern zog vor das Schwesternhaus, wo Junglehrer Planck wohnte, um dort ihr Zerstörungswerk fortzusetzen. Pfarrer und Lehrer wurden schwer misshandelt, in Schutzhaft genommen und ins Gefängnis nach Kirchheimbolanden gebracht. Während Pfarrer Schwalb und Lehrer Planck abtransportiert wurden, verhöhnte der Pöbel die Misshandelten lautstark als „Vaterlandsverräter“, skandierte „Aufhängen“ und sang „Jetzt ist der Tag der Rache“. Am Sonntag, den 26. Juni 1933, wurden die Beiden aus der Schutzhaft entlassen. Pfarrer Jakob Schwalb kehrte nicht nach Göllheim zurück, sondern begab sich in seine Heimatgemeinde Hettenleidelheim.

Jakob Schwalb ist kein Einzelfall. Die systematischen Ausschreitungen gegen kath. Geistliche in der Pfalz begannen am 17. Juni 1933 in der nordpfälzischen Gemeinde Imsweiler. Dort hat eine tobende Menge das Pfarrhaus überfallen und Pfarrer Matheis aufs schwerste misshandelt. Am 22. Juni 1933 wurde das Pfarrhaus in Wolfstein gestürmt, Pfarrer Faht mit Faustschlägen traktiert und nach einer öffentlichen Zurschaustellung in Schutzhaft genommen. Am 24. Juni 1933 wurde Kurat Süß in Ulmet verhaftet. Tags darauf, am 25. Juni 1933, wurde in Weitersweiler das Pfarrhaus überfallen und Pfarrer Jakob Schenkel auf brutalste Weise krankenhausreif geschlagen. Die Pfarrer Karl Stamer (Lauterecken), Johann Brentzel (Reipoltskirchen), Johannes Lanninger (Stetten), Dr. August Seither (Rockenhausen), Eduard Heinrich (Zell) wurden gewarnt und konnten nach Anschlägen noch rechtzeitig fliehen. Pfarrer Schwalb, ohnehin gesundheitlich angeschlagen, war nach diesen Ausschreitungen physisch und psychisch ein gebrochener Mann. Nach einem Erholungsaufenthalt im Schwarzwald wurde ihm mit Wirkung vom 1. November 1933 die Pfarrei St. Laurentius in Dahn verliehen, um ihn aus der "Schusslinie" der Göllheimer Nazis zu nehmen.
Seinen priesterlichen Dienst konnte Pfarrer Schwalb als schwer kranker Mann in Dahn kaum versehen. Obwohl im Dahner Pfarrgedenkbuch nicht vermerkt, ist von einer Zeitzeugin überliefert, dass Pfarrer Schwalb, der einer wohlhabenden Hettenleidelheimer Fabrikantenfamilie entstammt, der Dahner Kirche großzügige Spenden zukommen ließ. Am 25. April 1934, wenige Monate nach der Übernahme der Pfarrei Dahn, stirbt Pfarrer Jakob Schwalb im Theresienkrankenhaus in Mannheim an den Folgen der erlittenen Misshandlungen. Er ist in seinem Heimatort Hettenleidelheim im Familiengrab beigesetzt. Auf dem Dahner Friedhof befindet sich auf dem Priestergrab ein Hinweis auf sein Wirken als Pfarrer in Dahn.
2006 wurde dem Bekennerpfarrer Jakob Schwalb in Dahn vor dem Pfarrhaus ein Stolperstein gesetzt. Damit soll für kommende Generationen sein mutiges Eintreten gegen Unrecht und Gewalt wach gehalten werden.


© Arbeitskreis Judentum im Wasgau, Otmar Weber, Schillerstrasse 10b, 66994 Dahn